Mag. Johannes Mühlberger stammte aus Regensburg, Deutschland, und war evangelischer Prädikant bei den Herren von Jörger in Hernals (Wien). Von mancherlei Leiden geplagt, folgte er der Einladung des Freiherren Ludwig von Königsberg und absolvierte 1620 einen Kuraufenthalt im Schloss Jormannsdorf.
Aus diesem Anlass verfasste er eine Kurpredigt, die 1621 im Druck erschien. Diese als "Mühlberger- bzw. Regensburger Chronik" bekannte Predigt trägt den Titel "Scaturigo salutis" ("Quelle des Heils") und ist die älteste bekannte Schrift über die Heilquellen von Bad Tatzmannsdorf. Sie hat sehr viel zum Bekanntwerden des Kurortes beigetragen. Heute noch wird die "Mühlberger- bzw. Regensburger Chronik" als "Geburtsurkunde" des Bades angesehen. Der Predigt verdanken wir auch die älteste Ansicht der Quelle und ihrer Umgebung.
Regensburger Chronik, Titelblatt
Die unterschiedlichsten Völker sind durch das Burgenland gezogen, haben es besiedelt und urbar gemacht. Einige Kulturen konnten auf den vorigen aufbauen, andere wurden gewaltsam zerstört. Eines aber hatten diese Völker gemeinsam: den Durst.
Wasser ist eine entscheidende Voraussetzung für die Anlage einer Siedlung. Das Burgenland mit seinen vielen kleinen Bächen und Flüssen, Quellen und Brunnen konnte schon vor zigtausend Jahren mit diesem Schatz aufwarten. An einigen Stellen aber hat es seinen Bewohnern etwas ganz Besonderes bereitgestellt: das Sauerwasser oder, wie unsere Vorfahren dazu gesagt haben: die "Sulz".
Eine dieser von der Natur bevorzugten Gegenden ist jene um Bad Tatzmannsdorf. Von Stuben und Rettenbach im Norden bis Goberling im Osten, Bad Tatzmannsdorf und Jormannsdorf im Süden und Oberschützen im Westen zieht sich der Kreis jener Orte, die erwähnenswerte Säuerlinge beherbergen.
Der Tatzmannsdorfer Sauerbrunn war davon immer derjenige, der am Bekanntesten von allen war. Funde bei der Quelle belegen, dass das Wasser dort bereits seit der Bronzezeit genutzt wird. Viele Generationen haben sich an dem Wasser erfrischt und sind dadurch auch – wissentlich oder nicht - von ihren Leiden befreit worden, bis ein kranker Pfarrer, der von Leiden geplagt auf ärztlichen Rat hin zur Kur nach Jormannsdorf fuhr, vor mehr als 380 Jahren in einer Predigt erstmals schriftlich davon Zeugnis ablegte.
Sein Name war Mag. Johannes Mühlberger, er kam aus Regensburg und war zur Zeit seines Kuraufenthaltes evangelischer Prediger bei den Freiherren Jörger in Hernals bei Wien. Wie er selbst berichtete, wurde er mehrmals von "vielfältigen Krankheiten als Fieber, Reißen, Pest, tägliches Magenweh, Catarrhe, Husten und andere Zuständ" geplagt, bevor er im Jahr 1620 "auff Rath und Guetachten deß Edlen unnd Hochgelehrten Herrn Matthaei Judicis, Medici Caesarei, als meines hochgeehrten Herrn Gevattern, zu reparirung meines Gesundts nach Jormarsdorff, den Sawer Brunn daselbsten zugebrauchen begeben" der Einladung des Freiherrn Ludwig von Königsberg, den er vermutlich durch seine Herrschaft kannte, in dessen neues Herrenhaus nach Jormannsdorf folgte.
Auf Bitten der Gastgeberin Maria Anna von Königsberg hielt er nach einer Woche Aufenthalt am 25. Juli eine Predigt, die er ein Jahr später auf Wunsch seiner Zuhörer und aus Dank, "weil mir auch von Euer Gnaden damals die grosse Gnad ertheilt, das ich die gantze Zeit meines Anwesens über in dem Herrn Hauß mit Losierung und Zimmern versehen und mit andern mehrern Gnaden bin bedacht und angesehen worden" unter dem folgenden, typisch barocken Titel in Regensburg drucken ließ:
"Scaturigo Salutis.
Das ist Geistliche Betrachtung des Brunnens des Lebens Jesu Christi aus dem 13. Cap. des H. Propheten Zachariae gerichtet auf die Aigenschafften des Saurbrunns zu Jormarsdorff und daselbst im Herrn Hauß am Tag Jacobi Anno 1620 gepredigt, an yetzo aber auff begehrn etlicher fürnehmer Personen auffs new übersehen, vermehrt und zum druckh verfertigt durch M. Ioannem Mülbergerum der dreyen Löblichen Evangelischen Landstände im Erzherzogthumb Österreich under der Enns, und der Herrn Jörger bestellter Prediger zu Hernals" .
Johann Mühlberger – man könnte ihn als ersten bekannten Tatzmannsdorfer Kurseelsorger bezeichnen - und seiner Predigt verdanken wir nicht nur die erste schriftliche Erwähnung der Tatzmannsdorfer Quellen (der Jormannsdorfer Sauerbrunn der Predigt liegt in Tatzmannsdorf), sondern auch ihre erste bildliche Darstellung in einer Vignette des Titelblattes (siehe Grafik).
Von allen Seiten strömen darin Menschen zu Fuß oder in Wägen zur Quelle, die sich in der Mitte der Abbildung befindet. Auf der linken Seite sieht man die Häuser von Jormannsdorf, etwas dahinter die Kirche von Mariasdorf und die Burg Bernstein. Über der Quelle sind die Häuser von Sulzriegel – damals Waldegg – dargestellt, obwohl der Ort erst 20 Jahre später schriftlich genannt wurde! Linker Hand schließlich ist Tatzmannsdorf anhand einiger Häuser angedeutet.
Das 16. und 17. Jahrhundert war eine Zeit, in der man sich in verstärktem Maße den Trinkkuren widmete. Ausgehend vom Kaiserhof, wo das Wassertrinken gepflegt wurde, war es für die adelige Gesellschaft ein Muss, diesem Trend zu folgen. Wassertrinken war nicht nur "in", sondern bald auch ein lukratives Geschäft. Aus diesen beiden Beweggründen – abgesehen vom privaten Vergnügen – ist auch der Neubau des Herrenhauses in Jormannsdorf durch die Freiherrn von Königsberg zu erklären, die ja in Bernstein über ein gut ausgestattetes Burgschloss verfügten. Ein Schlussstein beim Schloss in Jormannsdorf mit dem Wappen und den Initialen von Ludwig von Königsberg trägt die Jahreszahl 1626. D.h. das Gebäude wurde kurz nach dem Aufenthalt Mühlbergers endgültig fertiggestellt. Ein Badebecken im Erdgeschoss des Schlosses Jormannsdorf weist außerdem auf eine Nutzung als "Kurhaus" hin.
Eindeutig geht aus der Predigt auch hervor, dass die Königsberger die Initiative zur Nutzung der Tatzmannsdorfer Quellen gesetzt haben, da 1620 noch keinerlei Einrichtungen direkt beim Sauerbrunnen vorhanden waren. Dreißig Jahre danach wurde das erste Badehaus direkt an der Quelle errichtet, die jedoch im Herrschaftsgebiet der Tatzmannsdorfer Kleinadeligen stand.
Abschließend sei den Worten Mühlbergers freier Lauf gelassen, in denen er – hier im Auszug – die Gegend, die Kur und das Wasser beschreibt.
"Also habt ihr (ihr meine liebe Jormansdorffer) und alle anrainende Nachbarschafft, so inn diser Refier dises Sawerbrunnens wohnet ewre special und sonderbahre Lehr auch zu mercken unnd zubehalten, daß weil euch unser lieber Gott vor vielen andern diese sonderbahre Genad gethan, das er euch an ewerer Gräntz und vor ewrer Thür diese herrliche Sultz (wie ihr sie nennet) oder diese edle Quell und heylsamen Sawerbrunnen ohne all ewer zu thun, Mühe und Arbeit hat entspringen und herfür kommen lassen, dadurch ihr die Zeit deß Jahrs über viel Ungemach an ewren Leib und Gesund entweder durch Gottes Gnad verhütten oder aber widerumb abwenden könnet und solches ohn allen Unkosten."
"Wann wir unsern Sauerbrunnen ansehen, so befinden wir je nicht das wenigste daran, das einer Zier oder Schönheit gleich sehe, dann da ist anderst nichts zu sehen, denn ein alter löcheriger und ausgeholter Aychbaum, der ist anstatt eines kostbahren Brunngestells. Das Zaunwerck, mit welchem er umbfast gewesen, das ist zerrissen und meistentheils hinnweg und umb und umb ist es lauterer Sumpff und Morast."
"Gleich wie auch der Sawerbrunn diese art und eygenschafft an sich hat, das er die flüsse des Haupts außtrucknet, auch die völle der Brust hinnweg nimmet, unnd die böse materien und Feuchtigkeiten außführet, auch die gliedmassen deß Leibs sein leicht und Gering machet, und dem Menschen zu seinem gesund widerumb hilfft und beförderlich ist."
"Ja, gleichwie auch in einem Thal das Wasser von den Bergen zur Zeit des Ungewitters zusammen fliesset, das alsdann grosse Feldgüsse sich offt erheben, wie es denn zu andern Jahren eben allhie offt geschehen, das in diesem Thal durch Platzregen oder Wolckenbruch, sich diß kleine Jormersdorfferische Bächlein also ergossen, das man auch zu dem Sawerbrunn ein zeitlang nicht hat kommen können."
"Dann gleich wie bey und umb unsern Brunn sich andere quellen zwar erzeugen und auch einen gleichsamb Seuerleten geschmach haben, so ist doch aber nicht mehr als der eynige so wir brauchen in der Probe bestendig gefunden worden, das er allein habe vim penetrandi et tollendi morbos, wie mir dessen die Herrn Medici, und auch andere verständige und erfahrne Leut zeugnuß werden geben können."
"Gleich wie unser Sauerbrunn an einem einsamen Orth ligt, da keine Häuser dabey gebawet sind, jedoch so ist kein Zweiffel, wenn nur der Allmechtige Gott den lieben Frieden widerumb schenckete und bescherete, das es alsdann an Leuten nicht mangeln würde, die da sich mit erbawung nothwendiger Zimmer und Wohnungen würden finden lassen, wie denn allbereit die Herrschaft dises orts, Als der Wolgeborne Herr, Herr Ludwig von Königsperg , Freyherr, etc. mit erbawung dieses Herrn Hauses einen guten und erwünschten anfang darzu gemacht hat."
"Gleich wie auch unser Sauerbrunn einen sehr lieblichen und angenehmen geschmack hat, daß, wer denselben gebraucht und trincket, sich des Weins oder anderer starcker Getränk nicht groß achtet noch derselben Sterck begehret."
"Wer bey dem Sawerbrunn sich seines Gesundes widerumb erholen will, der muß sich auch einer sonderbahren discretion gebrauchen, welche er von einem getrewen Medico, der die proprieten und eygenschafften der Quell erfahren hat, erlernen kann, denn dieweil die naturen unter den Menschen ungleich und die constitutiones corporis nicht einerley seyn, so muß man sich in der qualiter und maß deß truncks darnach richten, damit man dem guten nicht zuviel thue, wie es dann daher kommet, das man mit einem Seydel wasser anfehet und also fort graditim hinauff steyget im höchsten Trunck aber wird gleichwol ein unterschied gehalten, das ein Person offt 8, zu zeitten 10, 12, auch wol 16 Seydel deß tags oder mehr trincket, nachdem es die natur ertragen kann."
"Gleich wie diejenigen, So sich deß Sawerbrunnens gebrauchen und ihn fruchtbarlich trincken wollen, dieselben müssen nicht viel sitzen, ligen oder faullentzen: Sondern es erfordert die notturfft, das man sich mit reyten, fahren, gehen und andern Leibsbewegungen übe, welches, so es beschicht, so gelangt der Brunn desto eher zu seiner operation unnd Würckung."
"Man dencke nur, was der schöne Brunn auff der Vestung Bernstein hiesiger Herrschaft zugehörig, so durch einen gantzen Felsen gegraben, wird gekostet haben? Man rechne nur nach, mit was müh und unkosten das Hernalserische Brünnlein in die Stadt Wien geführet und auff den Hoff unnd hohen Marckt geleittet wird?"
"So bezeugets die Erfahrung, daß obschon die Bawersleut, so da inn diser Refier und Nachbarschafft wohnen und diese Sultz (wie sie den Sawerbrunn nennen) zu ihrem trinckwasser gebrauchen, sich mit schlechter und grober Speyse behelffen, so giebts doch viel sehr alte und gleichwol starcke kräfftige Leut unter ihnen, welches sie dennnechst Gott diesem edlen Wasser zu dancken haben.”